Prozessoptimierung in der Lebensmittelindustrie:
Trends und Margendruck fordern kontinuierliche Verbesserungen
Gegessen und getrunken wird zwar immer, aber die aktuellen kulturellen und gesellschaftlichen Umbrüche zwingen die Lebensmittelindustrie mehr denn je zur Prozessoptimierung. Worauf sich die Lebensmittelproduzenten einstellen und welche Konsequenzen das für deren Ausrüster hat, erfahren Sie hier.
Spricht man in Fachkreisen über Trends in den Prozessindustrien, dann fallen als Schlagworte schnell die üblichen Verdächtigen: Individualisierung, Industrie 4.0, Digitalisierung, Asset Management und Prozessoptimierung sind nur einige davon. Allerdings sind all diese technologischen Aspekte im Grunde immer nur ein Mittel zum Zweck. Die treibenden Entwicklungen dahinter sind andere. Eine ganze Reihe davon hat Das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung ISI im Rahmen des EU-Projekts „Fox“ untersucht. Insgesamt 50 Entwicklungen werden darin benannt. Im Hinblick auf die Lebensmittelproduktion sind vor allem eine Handvoll relevant:
- Die Urbanisierung, mit der sich nicht nur das Konsumverhalten verändert und deshalb auch die Anforderungen an die Produkte, sondern auch deren Verarbeitung und damit die Prozesse.
- Die Lagerung und die Logistik ist vom Wandel beim Konsumverhalten und den Vertriebswegen betroffen. Zwischen Wochenmarkt, Discounter und der online-Bestellung von fertig nach Rezept zusammengestellten Food-Boxen liegen im Hinblick auf Verpackung und Logistik Welten.
- Dazu kommt – und hier greift eines der oben genannten Buzzwords – die von den Konsumenten geforderte Individualisierung der Produkte. Ob gesundheitlich notwendig oder nicht – ein klarer Trend geht zu veganen und vegetarischen sowie glutenfreien Produkten. Individualisierte Ceralienmischungen, wie sie beispielsweise vom Start up My Müsli angeboten werden, sind dabei ein prominentes Beispiel.
- Insgesamt wächst bei den Verbrauchern auch das Bewusstsein für den ökologischen und sozialen Fußabdruck der Lebensmittel: Wie ressourcenintensiv die Herstellung oder wie recyclingfähig die Verpackungen sind, spielt beim Konsumenten mehr und mehr eine Rolle.
Flexible Anlagen mit geringen Umrüstzeiten gefragt
Um diese Trends zu bedienen, müssen Hersteller von Lebensmitteln ihre Produktpalette mehr denn je flexibel anpassen können. Allein in Europa kommen jährlich schätzungsweise 40.000 Lebensmittelprodukte auf den Markt. Damit einher gehen immer kürzere Produktzyklen. Auf der Habenseite stehen für die Produzenten eine steigende Bereitschaft der Kunden, für höherwertige Lebensmittel tiefer in die Tasche zu greifen. Auch der Trend zu kleineren bis Single-Haushalten in den Städten hat Konsequenzen: Diese greifen immer häufiger zu vorverarbeiteten oder vorkonfektionierten Produkten, weil sie den Aufwand für den Einkauf und die Zubereitung meiden. Im Corona-Lockdown der Jahre 2020 und 2021 waren auch deshalb Rezeptboxen von Spitzenköchen ein Renner.
Die Lebensmittelindustrie stellt sich durch verschiedene Maßnahmen auf diese Entwicklungen ein: Dazu sind flexible Anlagen gefragt, die bei Bedarf mit möglichst geringen Umrüstzeiten auf neue Produkte umgestellt werden können. So verändern sich beispielsweise bei festen Produkten, in deren Herstellungsprozess Komponenten gemischt werden müssen, die Eigenschaften dieser Schüttgüter: Vom Fließverhalten oder der Dichte hängt beispielsweise ab, wie Mischer, Trockner oder Filter beschaffen sein müssen und welche Anforderungen an den Explosionsschutz zu stellen sind.
In Deutschland sorgt vor allem die starke Verhandlungsmacht der Handelsketten für einen hohen Kosten- und damit auch Effizienzdruck auf die Lebensmittelhersteller. Ein einfacher Vergleich macht das deutlich: Während Verbraucher in Italien und Frankreich über 20 % ihres verfügbaren Einkommens für Lebensmittel ausgeben, sind es in Deutschland weniger als 12 %. In der Konsequenz stehen die Margen vieler Lebensmittelhersteller unter einem hohen Druck. Maßnahmen, um Verluste zu vermeiden, kurze Durchlaufzeiten und dadurch eine niedrige Kapitalbindung sowie eine hohe Produktivität wirken sich deshalb direkt und wesentlich auf die Marge aus – häufig noch deutlich stärker, als niedrige Rohstoffkosten.
Prozessoptimierung – von radikal bis kontinuierlich
Um wettbewerbsfähig zu bleiben, setzt die Branche auf Prozessoptimierungs-Konzepte, die weit über die reine Maschinenoptimierung hinausgehen. Ein Ausspruch des ehemaligen Rosenthal-Chefs Philip Rosenthal verdeutlicht dabei eine Grundmotivation: „Wer aufhört, besser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein.” Die Rolle der Prozessoptimierung geht dabei über kurzfristige Verbesserungen oder Kosteneinsparungen hinaus. Sie sollte die Hersteller langfristig in die Lage versetzen, schnell auf neue Anforderungen des Marktes reagieren zu können. Viele Unternehmen haben sich konkrete Effizienzziele gesetzt. Typisch sind beispielsweise Produktivitätsverbesserungen von drei bis fünf Prozent pro Jahr.
Den wohl radikalsten Wandel bringt ein Reengineering des gesamten Geschäftsprozesses (Business Process Reengineering): Dieses wird beispielsweise dann notwendig, wenn Unternehmen in Sachen Technologie oder Abläufen den Anschluss verpasst haben. Beim „Total Quality Management“ steht dagegen das Kundenerlebnis und deren Zufriedenheit im Zentrum. Das Managementkonzept setzt dabei auf allen Ebenen auf die Mitwirkung der Mitarbeiter.
Zu den Maßnahmen, die auf eine kontinuierliche Prozessoptimierung abzielen, gehören die aus der Automobil- und Fertigungsindustrie bekannten Programme Kaizen, Lean Production oder Six Sigma. Um diese effektiv anwenden zu können, braucht es neben einer Beschreibung und Analyse der Geschäfts- und Produktionsprozesse eine kontinuierliche Messung relevanter Größen. Schwachstellen müssen systematisch aufgedeckt werden, bevor Abläufe verbessert werden können.
Für alle Ansätze zur Prozessoptimierung gilt: Kontinuierliche Programme sind deutlich effektiver als einzelne Projekte. Und ein Ansatz, der viele Effizienzhebel gleichzeitig in Bewegung setzt, ist in der Regel zielführender, als in der Tiefe durchgeführte Einzelmaßnahmen.
Enormes Potenzial für Optimierung mithilfe digitaler Werkzeuge
Hier kommen schließlich die Buzzwords Automatisierung, Digitalisierung und Industrie 4.0 ins Spiel: Die Unternehmensberatung McKinsey schätzte in einer 2015 veröffentlichten Studie, dass es durch die Optimierung von Prozessen mit Hilfe der Digitalisierung – und dabei insbesondere durch eine flexiblere Wertschöpfungskette – die Profitabilität um 20 bis 30 % zu steigern.
Ist Digitalisierung also ein Allheilmittel? Mitnichten. Auch hier hängt der Erfolg davon ab, ob Prozesse zuvor analysiert und optimiert werden. Denn ineffiziente Prozesse bleiben auch digitalisiert ineffizient – Automatisierung, IT und Digitalisierung führen dann lediglich zu höheren Kosten. Zudem wirkt sich der Trend in Richtung Industrie 4.0 deutlich auf die Arbeit und Arbeitsumgebung der Produktionsmitarbeiter aus – die Führung muss daran angepasst werden.
Hersteller erhoffen sich von der Digitalisierung ihrer Produktionsprozesse und Wertschöpfungsketten eine bessere Grundlage für Entscheidungen sowie die Möglichkeit, diese mit höherer Qualität treffen zu können. Daten sollen einfacher erfasst und simpel ausgewertet werden können.
Zu den konkreten Produktionsfaktoren, die bei der Optimierung von Produktionsprozessen in der Lebensmittelindustrie unter die Lupe kommen sollten, gehören in erster Linie die Energiekosten. Denn Lebensmittelproduktion ist in der Regel ein energieintensiver Vorgang. Steigende Energiepreise drücken bei zunehmendem Preisdruck durch den Handel empfindlich auf die Margen der Hersteller. Dabei ist die energetische Optimierung in der Regel mit einer ganzen Reihe an technischen Maßnahmen relativ einfach möglich.
Vernetzung und Datenauswertung ist Grundvoraussetzung
Eine wesentliche Hürde stellt dabei, wie auch insgesamt bei Prozessoptimierungen, die häufig nicht existierende Vernetzung dar. Intelligente Sensoren und inzwischen am Markt verfügbare IoT-Gateways erlauben es heute auch ältere Maschinen an Softwaresysteme oder Analyseapplikationen in der Cloud anzuschließen. Diese versetzen die Hersteller in die Lage, ihre Produktion kurzfristig an Änderungen in der Nachfrage anzupassen.
Doch so unterschiedlich die Methoden zur Prozessoptimierung auch sein mögen, eine Empfehlung zieht sich durch alle Konzepte durch: Da sich bei allen Maßnahmen die Anforderungen an die Mitarbeiter verändern werden, ist es wichtig, diese von Anfang an in den Optimierungsprozess einzubinden. In der Praxis hat sich gezeigt, dass der Erfolg in den besten Unternehmen der Branche in der überwiegenden Mehrheit darauf zurückgeführt werden kann, dass dort operative Ziele und Projekte im Team erarbeitet, umgesetzt und kontrolliert werden. Transparenz ist dabei ein wichtiger Faktor: Wenn die Produktionsmitarbeiter ihren Beitrag zur Erreichung der Abteilungsziele kennen, entsteht Verbindlichkeit. Im besten Fall agiert der Vorgesetzte lediglich als Coach.
Fazit: Die kontinuierliche Optimierung von Prozessen ist für Unternehmen der Lebensmittelindustrie ein wesentlicher Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit und zu auskömmlichen Margen. Die Ziele und Maßnahmen sollten dabei an den generellen Trends in der Lebensmittelindustrie ausgerichtet werden.
Wie Anlagenbauer und Maschinenhersteller in der Schüttguttechnik Lebensmittelproduzenten bei der Prozessoptimierung unterstützen, wird Thema auf der Messe Solids sein, die vom 16. bis 17. Juni 2021 in Dortmund stattfindet. Mehr Informationen unter www.solids-dortmund.de
Die Solids-Trendberichte werden von Fachjournalisten mit tiefen Branchenkenntnissen erstellt und stehen der Presse zum freien Abdruck zur Verfügung.
Share on facebook
Facebook
Share on twitter
Twitter
Share on linkedin
LinkedIn
Share on xing
XING