Additive Fertigung:
“Es wird ein Feuerwerk an Innovationen geben”
Dass der 3D-Druck einen rasanten Aufstieg nimmt, ist nicht mehr nur Zukunftsmusik von Experten. Längst hat die additive Fertigung in die Produktion von Unternehmen Einzug gehalten. Ganz gleich, ob Metall oder Kunststoff: Maschinen sind verfügbar, Prozesse weitgehend standardisiert und wiederholgenau, die Präzision und Prozesssicherheit über mehrere Fertigungsschritte ist etabliert. Doch damit der 3D-Druck gelingt, ist auch die Schüttguttechnik gefragt. Denn die Qualität des Pulvers entscheidet über die Qualität des Endprodukts. Korngröße und -qualität, Siebtechnik, Transport und Lagerung gilt es genauso zu beachten, wie Gesundheits-, Umwelt- und Recyclingaspekte.
Die Schnelligkeit, mit der Produkte für Additive Manufacturing Prozesse von der Idee über Prototypen bis zum Serienprodukt entwickelt und gefertigt werden, ist atemberaubend. Die Automobilindustrie, Luft- und Raumfahrt sowie die Medizintechnik führen die Entwicklung und Umsetzung von additiver Fertigung als Teil der industriellen Produktionskette an. Dies zeigt sich auch in Corona-Zeiten, wo sich die werkzeuglose additive Herstellung von neuen Produkten und deren Anbieter, vor allem in der Medizintechnik, fast so schnell verbreitet wie das Virus selbst. Welches Potenzial in dieser immer noch jungen Fertigungsweise steckt, kann dabei oft nur ansatzweise vorhergesehen werden. Denn mit jedem neuen Produkt, jeder neuen Fertigungsoptimierung und jeder neuen Erfahrung ergeben sich auch wieder neue Möglichkeiten, die die Innovationsbereitschaft fördern.
Komplexe Geometrien ohne Werkzeugkasten herstellen
Ein großer Vorteil der Additiven Fertigung liegt dabei in der konstruktiven Herangehensweise und den Möglichkeiten, komplexe Geometrien ohne Werkzeugkosten schnell und wirtschaftlich zu fertigen. Häufig können im 3D-Druck hochkomplexe Bauteile oder Produkte hergestellt werden, die mit subtraktiven Verfahren gar nicht zu realisieren sind. So können Funktionen integriert oder innenliegende Kühlkanäle konturnah realisiert werden. Die Optimierung der Topologie durch Gitter- und Wabenstrukturen hilft auch Gewicht einzusparen. Die generative Fertigung mit Metall ermöglicht darüber hinaus stabile und feste Strukturen bei gleichzeitiger Berücksichtigung von Leichtbauaspekten. Egal ob durch selektives Laserschmelzen im Pulverbett (SLM) oder durch Laserauftragsschweißen, bei dem das Pulver direkt in den Brennpunkt des Lasers gebracht wird, können Strukturen entstehen, die bis vor wenigen Jahren schlicht nicht vorstellbar waren. Ein großer Anwendungsbereich ist die Luft- und Raumfahrtindustrie. Dort werden häufig 3D-Druck-Teile aus dem Superwerkstoff Titan gefertigt.
Wichtigster Grundstoff von additiv gefertigten Teilen ist das Pulver, das Granulat oder Pellets. Deren Verdichtung zu einem qualitativ einwandfreien, fehlerfreien Produkt hängt von Größe, Dichte und Perfektion der einzelnen Partikel ab. Für einen gelungenen Fertigungsprozess kann die Qualität und der Charakter des Pulvers beziehungsweise der Partikel im Vorfeld mit mikroskopischen oder computertomografischen Verfahren beurteilt werden. Lassen sich mit Licht- oder Rasterelektronenmikroskopen Partikelgrößen oder Chargen schnell analysieren, ermöglichen hochauflösende Röntgen-CTs eine detaillierte Analyse von Partikelform, Partikelgröße und deren Volumenverteilung. Vor allem entscheiden jedoch Sortenreinheit und die Reinheit des Pulvers über ein fehlerfreies Ergebnis.
Sicheres Handling und Recycling ist gesundheitlich, wirtschaftlich und ökologisch wichtig
Geht es beim 3D-Druck mit Kunststoff weniger um das Granulat-Handling als um ein sortenreines Recycling, kommen beim Metall-3D-Druck Gesundheitsaspekte hinzu. Denn Metallpulver, die für den 3D-Druck eingesetzt werden, sind häufig abrasiv, explosiv und toxisch und damit gefährlich für die Anlage und den Bediener. Sie sind hochgradig lungengängig und als krebserregend eingestuft. Das macht ein ausgefeiltes Pulver-Handling notwendig.
In der additiven Fertigung fallen prozessbedingt während des Vorgangs kontinuierlich Pulverrückstände an. Nach jedem 3D-Druckprozess bleiben große Mengen an gebrauchten und nicht mehr spezifikationsgerechten Metall-, Legierungs- und Kunststoffpulver übrig. Diese wieder aufzubereiten ist eine wirtschaftlich und ökologisch alternativlose Aufgabe. Um Ausschuss an dem wertvollen Pulver zu vermeiden und im Druckprozess wieder verwenden zu können, werden die Pulver nach höchsten Qualitätsanforderungen wiederaufbereitet.
Die Wiederaufbereitung des teuren Pulvers ist innerhalb oder außerhalb des Fertigungsprozesses möglich
Dabei gibt es Batchanlagen, die das außerhalb des Fertigungskreislaufs in separaten Anlagen erledigen. Genauso ist es jedoch auch möglich, die Wiederaufbereitung in den Fertigungsprozess zu integrieren. Maschinen- und Anlagenhersteller wie AZO bieten heute automatisiertes Pulverhandling mit integrierter Siebtechnik und Pulverwiederaufbereitung in einem geschlossenen Materialkreislauf an. Moderne 3D-Drucker verfügen über eine solche interne oder externe Pulveraufbereitungseinheit, die mit Hilfe von an die jeweiligen besonderen Anforderungen angepassten Ultraschallsieben Verklumpungen und andere Verunreinigungen aussiebt. Durch modulare Lösungen lassen sich auch Werkstoffwechsel schnell und ohne Verunreinigung realisieren.
Bei Korngrößen von 40 µm für Edelstahl oder 50 µm für Aluminium und Titan ist es wichtig, das Pulver trocken zu lagern, ohne dass es verklumpt. Ebenso muss für die Zuführung bis zur Maschine und deren Speisung sichergestellt sein, dass das Pulver nicht verklumpt oder kontaminiert wird, so dass nur sortenreines und rieselfähiges Pulver in den Prozessraum gelangt. Schutz- und Kontrollsiebungen sorgen hier für Sicherheit. Moderne Siebanlagen arbeiten heute mit Ultraschalltechnik sehr schnell und zuverlässig. Weil die speziell für additive Fertigungstechnologien entwickelten Pulver sehr teuer sind, kommt deren Wiederaufbereitung – vor allem beim Pulverbettverfahren – natürlich sowohl große ökonomische als auch ökologische Bedeutung zu.
„Um die Bediener jedoch sicher schützen zu können, sollten die Prozesse vom Befüllen über die Verarbeitung bis zum internen Recycling idealerweise in einem geschlossenen System vollautomatisiert ablaufen“, rät Steffen Günter, der bei den Rohstoffexperten von AZO in Osterburken den F&E-Bereich Automation leitet. Das Unternehmen hat in den letzten Jahren neue Technologien für die sichere und vereinfachte Automation von Metallpulvern in der additiven Fertigung entwickelt. Dazu gehört beispielsweise ein vollautomatisiertes Pulverhandling- und Beschickungs-System, das den speziellen Anforderungen der AM Branche und vor allem der unterschiedlichen Rohstoffe gerecht wird. Damit das Metallpulver nicht oxidieren oder explodieren kann, wird die gesamte Anlage inertisiert. „Allerdings ist die 3D Druck Branche hinsichtlich Standards und Richtlinien nach wie vor sehr dynamisch“, gibt Frank Pahl zu bedenken. Aufgrund der VDI-Richtlinie 3405-1 habe sich jedoch das Bewusstsein bei Pulverherstellern und Druckerbetreibern hinsichtlich Bedienerschutz deutlich verbessert, sagt der Bereichsleiter F&E bei AZO.
Additive Fertigung: Ein Innovationsfeuerwerk wird uns erfreuen
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der technologische Stand der additiven Fertigung in den letzten Jahren ein außerordentlich hohes Niveau erreicht hat. Noch viel größer dürfte jedoch das Entwicklungspotenzial sein, das in diesem jungen Verfahren noch steckt. Und dies betrifft sowohl Fertigungsverfahren und –maschinen als auch Produkte sowie Richtlinien und Normen. Die konstruktiven Möglichkeiten von additiv zu fertigenden Teilen dürften bei Weitem noch nicht ausgereizt sein. Einfach, weil die Vorstellungskraft der Entwickler und Konstrukteure sich noch viel zu stark um die alternative Herstellung bestehender Produkte dreht. Werden jedoch Innovationsgeist und freie Denkmöglichkeiten gefördert und dem zügellosen Konstruieren neuer Teile freier Lauf gelassen, dann dürfen wir uns im Zusammenhang mit Additiver Fertigung auf ein Feuerwerk an innovativen Verfahren und Produkten freuen.
Autor: Jürgen Fürst, Fachredakteur, Stuttgart
Additive Fertigung wird Thema auf der SOLIDS Dortmund sein, die vom 16. bis 17. Februar 2022 in der Messe Dortmund stattfindet. Mehr Informationen unter www.solids-dortmund.de und www.recycling-technik.com.
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